Kurzbiografie:

1949              geboren in Dornreichenbach/Sachsen

1956 -1966    Polytechnische Oberschule  - Erlangung der mittleren Reife 

1966 -1969    Berufsausbildung als Fernmeldemechaniker                                         

1969 - 1971   Berufstätigkeit und Volkshochschulbesuch - Erlangung des Abiturs

1971 - 1975   Studium der Psychologie an der Technischen Universität Dresden - Diplom in Psychologie

seit 1973 Autodidaktische Beschäftigung mit der Fotografie und Aufbau einer Sammlung zeitgenössischer   Künstlergrafik

1975 - 1991   Berufstätigkeit in einer Betriebspoliklinik

1991 - 2015   Postgraduierung als Klinischer Neuropsychologe und staatliche Approbation als   Psychotherapeut; Tätigkeit in verschiedenen klinischen Einrichtungen Magdeburgs

                     



Biografisches Essay:

Im Mutterland der Spiegelreflexfotografie, in Sachsen aufgewachsen, sind meine ersten eigenen Versuche die Welt und die Menschen fotografisch zu sehen und abzubilden etwa in mein 12. Lebensjahr zu datieren.

Damals bekam ich, wie so viele in meinem Alter, von meinen Eltern eine der einfachsten Sucherkameras, der Marke Pouva Start in schwarzem Bakelitgehäuse geschenkt. Sie wurden seit 1951von der gleichnamigen  Firma Karl Pouva AG in Freital bei Dresden gefertigt. Mehr als ein paar unbedeutende Schnappschüsse von einem Schulfreund, meinen Geschwistern, meiner Großmutter väterlicherseits und dem Bahnhofsgebäude, in dem wir wohnten, habe ich damit wohl nicht gemacht.

Ich kann mich auch nicht mehr sicher daran erinnern, ob sich mein Vater für meine ersten Versuche interessierte oder sie gar förderte. Letzteres war wohl eher nicht der Fall. Danach war für eine längere Zeit die Fotografie kein interessierendes Thema mehr für mich.

Wie viele Jungen in meinem Alter wollten wir mit selbst gebastelten Pfeil und Bogen direkt spannende und gefährliche Abenteuer erleben. Wir spielten verstecken, Räuber und Schambambel  -sächsische Mundart für Gendarm- und wußten wie wir mit Apparaturen aus dem Blitzlichtpulver des Vaters und Karbid, das wir dem Lampenmeister des Bahnhofs unbemerkt entwendenden, bedeutsame gefährliche Detonationen auslösen konnten. Auch erklommen wir die höchsten Bäume der Umgebung. Wir erforschten verschlossene Stollen, Höhlen, Weiler und Tümpel. Fasziniert beobachteten wir die Metamorphose selbst gefangener Kaulquappen zu Fröschen im kleinen Aquarium und ließen sie noch lange neben den davon unbeeindruckt schwimmenden Guppys schwimmen, bis wir sie dann doch in den kleinen Gemüsegarten über den Bahngleisen ins Gras und einer unbekannten Zukunft aussetzen mußten. Im Winter spielten wir mit selbst gebastelten Schlägern auf kaum zugefrorenen Wasserlöchern, wie dem Feuerlöschteich am Stellwerk Eishockey oder fuhren auf der nahen " Krone" mit unseren Käsehitschen (kleine Schlitten) die "Todesbahn" hinunter, immer die Begrenzungssteine der Straße im Blick, durch die wir hindurch kommen mußten um dann im nahen Straßengraben, wenige Handbreit vor den Gleisen zum Stehen zu kommen, glücklich der Katastrophe wieder einmal entkommen zu sein. Bevor nicht die Handschuhe gefroren waren und die Bahnhofsuhr bereits in der Dunkelheit leuchtete, machten wir uns nicht auf den Weg nach Hause. Die Kindheit erschien uns als ob sie nie enden wolle.

Aber da schien es doch bereits früh etwas unbewußt Prägendes gegeben zu haben was die Zeit überdauerte und das Interesse an der Fotografie später neu entfachte. Mein Vater begann bereits in den ersten Nachkriegsjahren ambitioniert zu fotografieren. Er besaß eine metallglänzende 35`er Spiegelreflexkamera mit ledernen Korpusbezug der Marke Exakta Varex aus den legendären Ihagee Kamerawerken Dresden samt Zubehör, die er in seinem Nachtschrank aufbewahrte. Erstmals wohl im Vorschulalter und dann später, so oft ich unbeobachtet war, schlich ich mich heimlich ins Schlafzimmer der Eltern um dies alles in Augenschein zu nehmen, zu berühren, spielerisch auszuprobieren und um es für einen kurzen Moment "in Besitz zu nehmen". Es lag alles schwer in meiner noch kleinen Hand, glänzte und die mit rotem Samt gefütterten ledernen Objektivtuben rochen gut. Von all dem hat mein Vater wohl nie etwas erfahren. Für mich gehörte dies alles zu einem unbekannten und verbotenen Raum von wiederholter Faszination und Versuchung.      

 Mein Vater, ein eher introvertierter, absolut zuverlässiger, genauer und wahrheitsliebender Mensch, war sein gesamtes Berufsleben Eisenbahner. Als Kind und Jugendlicher, der bereits mit 11 Jahren seinen Vater verlor, genoss er ebenso wie seine beiden Schwestern eine humanistische Bildung. Bis zu seiner Pensionierung leitete er über 40 Jahre in der Nachkriegs- und DDR-Zeit stellvetretend den Bahnhof unsrer Stadt. Man muß glaube ich nicht extra erwähnen mit welchen persönlichen Entbehrungen sein Leben verbunden war. Wenn die Zeit es zuließ nahme er die Kamera in die Hand und dokumentierte in erster Linie das private Leben seiner Familie über die Jahre und auch wichtige Höhepunkte der katholischen Gemeinde, in der er selbst eine aktive Rolle spielte. Sein besonderes Interesse galt der Landschaft, vor allem die Flora wildlebender blühender Pflanzen hatte es ihm angetan.
Er suchte und fotografierte sie wie ein systematisierender Sammler und kannte alle ihre lateinischen Namen. Uns Kinder langweilten seine Diavorträge darüber. Er aber war wohl ein Leben lang auf der Suche nach der Blauen Blume der Romantik.

Als junger mittelloser Mann musste er schnell groß und selbständig werden. Gerade noch rechtzeitig, bevor er selbst in den Krieg mußte, machte er mit seinem künftigen Schwager, einem angehenden Gutsassesor von seiner Heimatstadt Liegnitz/Oberschlesien aus eine einzige, für ihn aber wohl bedeutsame, mehrwöchige Fahrradtour durch Deutschland. Insbesondere von den kulturellen Eindrücken dieser Reise muß er für den Rest seines Lebens gezehrt haben. Was danach kam war Russlandfeldzug, Kriegsverletzung, amerikanische Gefangenschaft, Desertation und ein anstrengendes und verantwortungsvolles Arbeitsleben, um die Existenz der achtköpfigen Familie in der DDR dauerhaft zu sichern. Bis dahin lebte er mit seiner Weltsehnsucht in einer Art inneren Emigration und schöpfte Kraft vor allem aus seinen christlichen Grundüberzeugungen sein Leben aktiv anzunehmen. Die Öffnung der Mauer kam für ihn dann zu spät und er war bereits zu krank, sich noch einmal auf den Weg zu machen.

In dem er uns Kindern aber u.a. davon erzählte wie die deutschen Kaiser im Aachener Dom gekrönt wurden, dass er die Gebeine der hl. 3 Könige als Reliquien im Schrein des Kölner Doms gesehen hat und Iller, Lech, Isar, Inn rechts zur Donau hin fließen, hielt er auch in uns die Sehnsucht nach der Ferne und nach neuen Horizonten wach.

Neben seinem, der Daseinssicherung dienlichen eher leistungsorientierten und zwanghaften Wesen, waren seine Lebenshaltungen von den Klassikern der Literatur und Musik wie Walter von der Vogelweide, Thomas v. Aquin, Goethe, Schiller,Thomas Mann und Mozart beeinflußt. Sein Naturgefühl war geprägt von Gedichten und Liedern der Romantiker Clemens von Brentano und Novalis. Wie er damals Eichendorffs Waldgedicht rezitierte, blieb für mich nachhaltig in Erinnerung. Vielleicht hat es auch mir ein späteres Bedürfnis nach Poesie in der Weltwahrnehmung ermöglicht.

Mein Vater verband mit seiner Fotografie wohl keine künstlerischen Absichten. Bis auf ein oder zwei ganz frühe Schwarzweissfotografien, die ich erst zu spät nach seinem Tod in einem alten Album entdeckte, kann ich solche Ansätze in späteren Arbeiten nicht mehr erkennen. Über mögliche Gründe kann ich heute nur noch spekulieren. Leider habe ich ihn damals dazu nie befragt, was ich heute sehr bedauere. Er versuchte aber später mich für die basalen Grundzusammenhänge der Fotografie zwischen Filmempfindlichkeit, Brennweite, Belichtungszeit, Blende und einfache Gestaltungsregeln, wie den "Goldenen Schnitt" zu interessieren, die die Umsetzung eigengestalterischer Intensionen erst möglich machten. Vieles habe ich allerdings erst später verstanden, dann aber verinnerlicht. Unersetzbar sind sie allemal auch heute noch für mich!

Während meiner Berufsausbildungs- und Volkshochschulzeit interessierte ich mich dann zunächst für die Literatur H.Hesses, St. Zweigs, die Musik Debussys, Bachs, Beethovens, Mozarts, die Piaf und Satchmo. Ich schrieb Gedichte und und erwog kathol. Theologie, besser noch Germanistik oder Psychologie studieren zu wollen. Aber bis zur Erfüllung und Realisierung meiner Ziele war es noch noch ein „steiniger Weg“ .

Bevor die Fotografie (sie begann sich als bildende Kunst gerade erst trotzig zu behaupten) wieder in mein Blickfeld kam, interessierte ich mich für die Malerei der Klassischen Moderne. Zunächst für den Expressionismus der „Brücke“, da sie mir ja in Dresden unmittelbarer zugänglich war. Werke des Impressionismus geschweige denn anderer Strömungen oder gar Tendenzen der Nachkriegabstraktion Westdeutschlands konnte ich damals begrenzt nur über die Kunstliteratur kennenlernen. Ich besuchte Kunstausstellungen und die wenigen, damals fast ausnahmslos staatlichen, Galerien zunächst in Dresden, später auch in Leipzig und Berlin. Wobei mich vor allem die Dresdner Kunst, besonders Arbeiten die der Traditionslinie des Postimpressionismus begleiteten. Die spezielle Koloristik und Noblesse u.a. bei Sterl, Jüchser, Rosenhauer und später auch Wittig sprachen mich besonders an. Ich erwarb erste grafische Arbeiten von Wittig in der meines Wissens einzigen Privatgalerie Dresdens von Johannes Kühl, die bereits 1924 von seinem Vater begründet wurde, damals noch in der Zittauer Str. residierte und heute ganz in der Nähe von der Enkeltochter und Tochter Sophia erfolgreich weitergeführt wird. Im legendären Künstlerhaus Dresden Loschwitz, einer Jugendstilvilla v. 1898 mit Wohnungen und 17 Ateliers, lernte ich Max Uhlig und Veit Hofmann kennen.

Das besondere Licht und die mediteran anmutende Landschaft des sächsischen Elbtals, fand ich später bei meinen Reisen in der Toskana und der Provence wieder. Anzumerken sei, ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen, dass seit dieser Zeit neben der Fotografie bis heute auch eine Sammlung zeitgenössischer Künstlergrafik ostdeutscher und europäisch-französischer Provenienz (École de Paris) entsteht. Dass aber meine fotografischen Arbeiten, insbesondere die Auswahl der Sujets, aber auch meine "künstlerische Handschrift" betreffend davon beeinflußt sind, ist nicht verwunderlich (1) .

Erst in der letzten Zeit meines Psychologiestudiums (1971-1975) in Dresden begann ich ernsthaft zu fotografieren. Meine erste analoge Spiegelreflexkamera Praktika LTL ( mit bereits elektronischer Lichtmessung durchs Objektiv ) erwarb ich 1973. Zeitgleich eignete ich mir dann auch Kenntnisse des Negativ -u. Positivprozesses an, die es mir erstmalig ermöglichten, meine schwarz-weissen Fotoarbeiten selbst zu entwickeln und zu bearbeiten. Erfahrungen machte ich später auch mit der analogen Mittelformatfotografie (Mamaia 6) und digitalen Kleinbildspiegelreflexkameras (u.a. Canon EOS 100). Der Wunsch meine Fotografien mögen eine persönlichere, subjektive Interpretation des Sujets erkennen lassen, wurde größer. Die Intention, Neues, Eigenständiges auch Verallgemeinerungswürdiges und Abstraktes auszudrücken, steht jetzt im Vordergrund.

Gestalterische Aspekte sind dabei selbstverständlich unverzichtbar sowohl in der Inszenierung, im Prozeß des Fotografierens sowie der Verarbeitung und Bearbeitung des Bildes oder Teilen davon (u.a. COREL – Photopaint; ADOBE-Photoshop). Wobei ich versuche möglichst authentisch zu arbeiten und nur eigenes fotografisches Material, in allen meinen Arbeiten zu verwenden.

Mit der Zeit wurde die Naturlandschaft oder Teile davon, auch als Stilleben, zum bestimmenden Gegenstand meiner künstlerischen Arbeit. Die Natur erscheint mir beseelt und diese fragile Magie möchte ich in meinen Bildern herausarbeiten.

„Die Aura eines Bildes entsteht durch die Fähigkeit des Menschen Naturerscheinungen und Kunstwerke in der Betrachtung lebendig werden zu lassen, Ihnen einen Blick zu verleihen, den sie selbst nicht haben.“ (2)
Bilder erlangen ihre Einmaligkeit auch dadurch, dass sie an einen Ort gebunden, sowie in eine Geschichte eingebettet sind. Die Empfindung eines Augenblicks ist nicht reproduzierbar, denn der gleiche geschichtliche Moment wiederholt sich nie mehr.

Neuere grafische Arbeiten von mir sind oft visuelle, auch gänzlich imaginäre Bildfindungen unterschiedlichen Abstraktionsgrades. Fiktives und Wahres durchdringen sich. Meist ist aber eine gegenständliche Anmutung zu erkennen. Oft handelt es sich um Naturkompositionen von Vegetabilem und Floralem, auch als zufällig entdeckte Strukturen. Die Bilder sind nicht vorab im Kopf vorhanden, sondern entstehen erst langsam im Prozess der inneren subjektiven Brechung, deren „Bearbeitungschritte“ oft wenig bewußt erscheinen und im Nachhinein kaum reproduzierbar sind. Fotografische Vorlagen werden aufgelöst, Details isoliert und dann betont mit besonderem Interesse für feine Oberflächenstrukturen und Texturen aber auch für ornamentale Qualitäten neu komponiert und coloriert.

„Die Arabeske als gestalterisches Mittel weist dabei auf den wunderbaren Aufbau der Welt hin und befreit uns von der Vergänglichkeit irdischer Bindungen, sie berauscht Augen und Geist “. (3)

Auch impressionistische oder gelegentlich surrealistische Wirkungen können von meinen Bildfindungen ausgehen, ohne dass sie bewußt angestrebt werden. Die Fotografien und Bilder gewinnen im Idealfall eine, sich der Alltagssprache entziehende, stille poetische Qualität. Der innere Prozess des Gestaltens ist ähnlich der Arbeitsweise eines bildenden Künstlers: Fotografie verbindet sich mit der malerischen Geste .

Literatur :

1) K.-P. Voigt : Blumen von Popart-Künstler Warhol neben Altenbourgs „Strophen der Nacht",  Artikel Magdeburger Volksstimme v.    16.01.2013

2) W. Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit,1939

3) E. Kühnel: Die Arabeske – Sinn und Wandlung eines Ornaments,Verlag für Sammler 1977